Die Entsendung eines Arbeitnehmers in einen anderen EU-Mitgliedstaat
Vielfältig sind die Hürden- und Fallstricke, welche ein Unternehmen überwinden muss, um aus dem europäischen Ausland Arbeitnehmer in die Bundesrepublik zu schicken, um sie dort arbeiten zu lassen. Das Unternehmen selbst muss im europäischen Ausland, den dortigen Firmensitz vorausgesetzt, eine Organisation aufweisen, die den Schluss zulässt, dass das Unternehmen in der Lage ist, eine Mehrzahl von Arbeitnehmern zu beschäftigen, diese zu verwalten, und organisatorisch in der Lage ist, die so bezeichneten Mitarbeiter dann auch ins deutsche Ausland zu entsenden. Sofern die Zusammenarbeit dieses Unternehmens mit einem deutschen Inlandsunternehmen im Rahmen von Dienst-, Werk- oder anderen Verträgen geplant ist, muss als erstes eine grundsätzliche Entscheidung darüber fallen, ob die vorgesehenen Mitarbeiter zeitlich begrenzt ins deutsche Ausland entsandt werden sollen oder ob dieses nicht der Fall sein soll. An dieser grundsätzlichen Frage entscheidet sich die Sozialversicherungspflicht der betroffenen Mitarbeiter. Für den Fall, dass ohne zeitliche Beschränkung die Mitarbeiter in die Bundesrepublik entsandt werden, scheidet eine Entsendung i.S. der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften aus und die Arbeitnehmer werden in der Regel in Deutschland sozialversicherungspflichtig.
Dies mag zunächst bei der unternehmerischen Kalkulation der Arbeitnehmerkosten eine Rolle spielen, ist jedoch dann sehr wichtig, wenn in Deutschland die zuständigen Kontrollbehörden im Wege der Prüfung erkennen, dass eine Entsendung im vorgenannten Sinne nicht stattfindet und daher ein Indiz dafür besteht, dass diese Arbeitnehmer im Inland sozialversicherungspflichtig sind.
Wird dieser wichtige Grundsatz beachtet, droht die Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen für eine Gruppe von Arbeitnehmern im deutschen Inland und nach den deutschen sozialversicherungsrechtlichen Gesetzen. Die Forderung, die auch für die Vergangenheit entsteht, bewegt sich regelmäßig im 5-, wenn nicht gar 6-stelligen Bereich und hat manches Unternehmen zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit geführt.
Formell ist zu beachten, dass der Vorgang der Entsendung vorsorglich und nach den gesetzlichen Regelungen den deutschen Sozialversicherungsträgern zur Kenntnis gebracht wird. Hierzu dient die Bescheinigung A1, die der deutsche Sozialversicherungsträger dem im Ausland planenden Unternehmen ausstellt und dieses jedoch nur dann tut, wenn der Sozialversicherungsträger selbst entsprechend informiert ist.
Hierzu wiederum gibt es Vordrucke, die schon wegen der vorgesehenen Vollständigkeit für sich sprechen und auch verwandt werden sollten.
Das Unternehmen sollte bedenken, dass die so gewählte „Verwaltungsöffentlichkeit“ immer ein sehr korrektes Vorgehen voraussetzt, weil in dem Moment, in dem die Pläne im Wege der Mitteilung offenbart werden, der Fokus der kontrollierenden Behörden auf dem Unternehmen ruht.
Natürlich muss sichergestellt sein, dass das ausländische Unternehmen ordnungsgemäße Arbeitsverträge mit seinen zu entsendenden Mitarbeitern abgeschlossen hat, diese dokumentiert sind und gegebenenfalls die Dokumentation auch abgefragt werden kann. Die Meldung zu dem ausländischen zuständigen Sozialversicherungsträger sollte selbstverständlich sein.
Gegebenenfalls empfehlen sich ausdrückliche Zusätze zu den Arbeitsverträgen, in denen vorgesehen ist, den Mitarbeiter zeitbegrenzt (höchstens 24 Monate) ins Ausland zu versenden.
Das deutsche inländische Unternehmen, welches den Geschäftskontakt mit dem europäischen ausländischen Unternehmen sucht, muss sorgfältig prüfen, auf welche Art und Weise es seine Geschäftskontakte begründet. Gerne werden die Geschäftsbeziehungen auf einen Werkvertrag gegründet, ein Vorgang, der mannigfache rechtliche Probleme aufwirft. Zentraler Punkt ist die Regelung der mit Werkverträgen, Arbeitsverträgen oder der Arbeitnehmerüberlassung verbundenen Klärung der Weisungsbefugnis. Wird ein Werkvertrag geschlossen, ist darauf zu achten, dass das Weisungsrecht (fast) ausschließlich beim ausländischen Unternehmen verbleibt, welches im Rahmen der werkvertraglichen Erfüllung vor Ort über seinen (!) Erfüllungsgehilfen seine (!) Arbeitnehmer anweist, wie, wo und in welchem Umfang die werkvertraglich vereinbarte Leistung zu erfüllen ist.
Das inländische Unternehmen, welches diese Leistungen entgegennimmt, wird sich darauf beschränken, die Erfüllung der Leistung zu kontrollieren und Mängel, die es feststellen will, direkt beim ausländischen Unternehmen zur Kenntnis zu geben, um wiederum dort zu veranlassen, dass die inländische Leistung ordnungsgemäß ausgeführt wird.
Wer diese Grundsätze nicht beachtet, verstrickt sich leicht in den Tiefen des Arbeitnehmerüberlassungsrechts. Unversehens wird ihm eine Entleihereigenschaft zugesprochen, die dazu führt, dass im Wege der Fiktion der entsprechenden gesetzlichen Vorschriften er die ausländischen Arbeitnehmergruppe als eigene Mitarbeiter zugesprochen bekommt mit den damit verbundenen, in der Regel teuren Folgen der Umsetzung eines Arbeitsverhältnisses im innerdeutschen Rechtsraum. Ihm wird natürlich auch vorgeworfen, mit einem ausländischen Unternehmen unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung betrieben zu haben, und dazuhin noch die notwendige sozialversicherungsrechtliche Umsetzung der Beitragserhebung (hierzu § 28 ff. SGB IV) nicht beachtet zu haben. Sehr schnell findet man sich umfangreichen Ermittlungen der innerdeutschen Zollbehörden gegenüber, die nach den einschlägigen Regelungen des Schwarzarbeitergesetzes unversehens umfangreiche Ordnungswidrigkeitentatbestände schaffen und verfolgen.
Wer in dieser Situation nicht sorgfältig auf das Arbeitnehmerentsendegesetz und die europäischen Verordnungen (z.B. VO ((EG 883/2004)) u.a.), die entsprechenden Beitragsvorschriften der deutschen Sozialversicherung, die Notwendigkeit der Genehmigung der Arbeitnehmerüberlassung für das ausländische Unternehmen, und noch weitere Vorschriften beachtet hat, sieht sich einem Strauß von Forderungen ausgesetzt, die in der Regel nur sehr schwer bewältigt werden können und ein „in Ordnung bringen“ für die Vergangenheit ausschließen.
Es ist sicher richtig, in der Planungsphase der Zusammenarbeit die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Frage, ob eine Stundenvergütung als Grundlage der Leistungsbemessung die Annahme eines Werkvertrages ausschließt, geprüft zu haben, die Rechtsprechung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg aus dem Jahre 2012 zur Kenntnis genommen zu haben darüber, welcher Geschäftsinhalt für einen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag oder einen Werkvertrag spricht, sowie eine weitere umfangreiche Rechtsprechung der einschlägigen Sozialgerichte zu prüfen, bevor das Werk oder die Arbeitnehmerüberlassung oder die Entleihung von Mitarbeitern stattfindet.
Unabdingbar ist ein Blick auf die Website des Zolls unter www.zoll.de mit umfangreichen Darlegungen und Erklärungen zu den notwendigen sachlichen und vertraglichen Verhältnissen. Hier findet sich ein Handbuch, aber auch die Sozialversicherungsträger bieten u.a. Merkblätter etc., um sich umfassend zu informieren und um, ggfls. in Zusammenarbeit mit dem hochspezialisierten Anwalt, die notwendigen und richtigen Weichen zu stellen.