Wettbewerbsverbot bei Chefärzten: Kooperation mit dem Arbeitgeber
Vielfältig sind die Bemühungen des Gesetzgebers, wettbewerbliche Strukturen in der Gesundheitsversorgung zu schaffen und durch diesen Wettbewerb absichtlich kostendämpfend zu wirken.
Die Schaffung von ambulanten Behandlungsbereichen, besonderen Versorgungsformen, strukturierten Behandlungsprogrammen, integrierter Versorgung und die Grundsatzregelung des § 63 SGB V zeigen die Motivation des Gesetzgebers, diese Möglichkeiten zur Verbesserung der Qualität und Wirtschaftlichkeit der Versorgung zu entwickeln.
Es liegt nahe, das ärztliche Personal in diese Entwicklung einzubinden und an diesen Formen der Leistungserbringung teilhaben zu lassen. Manch einer ist dabei, kraft Kompetenz und Schaffensdrang, neben seiner ureigenen stationären Aufgabe im Krankenhaus, zielstrebig diese Form der Leistungserbringung ins Auge zu fassen, sei es als die dem Krankenhaus zugutekommende Ergänzung der medizinischen Leistung, sei es zur Vorbereitung eines Absprungs aus der stationären Behandlung in die vertragsärztliche oder privat ärztliche Behandlung.
Der Blick in den abgeschlossenen Arbeitsvertrag dämpft den ambitionierten Überflug und lässt den Arzt erahnen, dass ihm vielfältige Beschränkungen auferlegt sind, die einerseits sicherstellen sollen, die ärztliche Tätigkeit ausschließlich dem Arbeitgeber zukommen zu lassen, andererseits ausschließen sollen, dass diese anderweitig mit dem Arbeitsgebiet der Klinik ins Gehege kommt. Sollte der Leiter einer chirurgischen Abteilung auf die Idee kommen, in einem weit entfernten Krankenhaus aushilfsweise an der Durchführung fachlich interessanter Operationen teilzunehmen, wird er dazu, ob ihm eine solche Tätigkeit erlaubt ist, unter Umständen in seinem Arbeitsvertrag nichts finden. Hier wirkt das Gesetz, und zwar § 60 Handelsgesetzbuch (HGB), das auch diese Tätigkeit unter den Vorbehalt der Einwilligung des Arbeitgebers stellt. Liegt sie nicht vor, ist die wettbewerbliche Tätigkeit verboten. Dieses Verbot schützt nicht nur Arbeitgeber, die ein Handelsgewerbe betreiben, sondern dieses Verbot gilt gerade auch für den Bereich der freien Berufe, zum Beispiel auch für den Bereich der Rechtsanwälte und Ärzte, für die sinngemäß die gleichen wettbewerblichen Beschränkungen wie für Handelsgehilfen gelten (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26. September 2007, Az.: 10 AZR 5/11/06).
Gelegentlich wird übersehen, dass § 60 HGB zwei Regelungen enthält. Verboten sind das Betreiben irgendeines „Handelsgewerbes“ und das „Geschäftemachen“ im Handelszweig des Arbeitgebers. Eine derart weite Auffassung ist vom Bundesarbeitsgericht (BAG) so zugeschnitten worden, dass das Handelsgewerbe „im Geschäftsbereich des Arbeitgebers“ betrieben werden muss, um unter das Verbot des Gesetzes zu fallen. Wer sich als persönlich haftender Gesellschafter an einer Gesellschaft beteiligt, die chirurgisches Material liefert, hat hier bereits die Grenze überschritten und bewegt sich inhaltlich sehr nahe am chirurgischen Fachgebiet; wer sich zum Operieren ins andere Krankenhaus begibt, hat die Rubikon überschritten.
Oft finden sich in den Chefarztverträgen Regelungen über Nebentätigkeiten, die eine Zustimmung der Klinikleitung benötigen. Zu deren Voraussetzungen wird auf Landesbeamtengesetze verwiesen. Das Hamburgische Beamtengesetz beispielsweise stellt zahlreiche Hürden für die Annahme einer sogenannten anzeigefreien Nebentätigkeit auf, so dass im Ergebnis das generelle Verbot einer Nebentätigkeit vertraglich vereinbart ist, und nur solche Nebentätigkeiten, die unentgeltlich ausgeübt werden, keiner Zustimmung bedürfen. Selbst diese jedoch sind anzeigepflichtig, außer wenn eine gewerbliche oder freiberufliche Tätigkeit unentgeltlich ausgeübt wird. Im Ergebnis ist ein beamtenrechtliches Verbot aufgestellt. Darüber hinaus wirkt das oben beschriebene allgemeine Wettbewerbsverbot.
In der Krise treten die wechselseitigen Interessen der Vertragspartner hervor. Fristlos gekündigt, wird der hoch dotierte Mitarbeiter schnell versuchen, anderweitig eine ebenbürtige Beschäftigung zu finden. Kaum sind tragfähige Kontakte geknüpft und Zusagen ausgetauscht, wird die Auseinandersetzung mit weiteren fristlosen Kündigungen befeuert, dieses Mal nicht wegen angeblichen Fehlverhaltens (Landesgericht Mainz, Urteil vom 6. Dezember 2012, Az.: 2 Sa 402/12), sondern wegen Verstoßes gegen das vertragliche Wettbewerbsverbot. Der klagende Chefarzt bewegt sich auf schmalem Pfad zur Interessenabwägung: diskutiert werden die Übergangslösung zum Ausgleich des Entzugs der Lebensgrundlage, die Länge des Zeitraums zwischen den Kündigungen und der Kontaktaufnahme mit dem neuen Vertragspartner, die Auswirkungen der vorgeworfenen Konkurrenztätigkeit auf die Tätigkeit des Krankenhauses, der Vergleich der Patientenzahlen aus den jeweiligen Einzugsgebieten, der Erhalt der chirurgischen Fähigkeiten und der Wahrheitsgehalt anderweitiger Äußerungen bei Gericht.
Es zeigt sich, dass in der Regel auch während eines Kündigungsschutzprozesses das vertragliche Wettbewerbsverbot gilt, unabhängig davon, ob eine Karenzentschädigung angeboten oder der Arbeitnehmer vorläufig weiter beschäftigt wird (BAG, Urteil vom 28. Januar 2010, Az.: 2 AZR 1008/08). Aber erst die Interessenabwägung führt zur Wirkung der durch Artikel 12 Abs. 1 Grundgesetz geschützten Berufsfreiheit und zur sinnvoll beschränkten Anwendung des Wettbewerbsverbots im Einzelfall. Keiner wird hier das Ergebnis einer solchen Abwägung ohne Kenntnis der Umstände des Einfalles vorhersagen können. Erfolgreich war der Chefarzt, der sich vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Mainz durchgesetzt hat mit dem Argument, er habe sich in einer Zwangslage befunden und seinen Lebensstandard sichern müssen. Im Hinblick auf diese Kriterien „erschien“ dem Gericht der Vorwurf eines Wettbewerbsverstoßes weniger schwerwiegend (LAG Mainz, Urteil vom 18. Dezember 2012, Az.: 3 Sa 500/12, unter B I 1 a) bb).
Weniger erfolgreich war der Chefarzt, der mit seiner Arbeitgeberin einen Kooperations- und Nutzungsvertrag hatte. Dessen Tätigkeit wurde so angelegt, dass er sie hälftig im Öffentlichen Dienst und im Übrigen in ambulanter vertragsärztlicher Versorgung erfüllte. Er soll außerhalb der Tätigkeit im Öffentlichen Dienst selbstständige Dienstleistungen als niedergelassener Vertragsarzt in eigener Praxis erbringen und ansonsten weder abhängig noch arbeitnehmerähnlich beschäftigt sein.
Der Pferdefuß kommt durch die Hintertür. Es finden sich die Pflichten zur Anmietung von Praxisräumen auf dem Gelände des Arbeitgebers (Kreiskrankenhaus). Einrichtungen können mitbenutzt und dessen Personal beansprucht werden. Die vertragliche Ankündigung, Leistungsabrechnung, Kostenerstattung, Praxisräume und Personal anderweitig zu regeln, wird in einer Nebenabrede umgesetzt, der bis zu 60 Prozent der Bruttoeinnahmen für diese Leistungen abgeführt werden müssen. Schnell bemerkte der ärztliche Vertragspartner jedoch einen systemimmanenten Krankheitsherd in Form einer Pflichtenkollision, verursacht durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 5. November 1997, Az.: 6 RK a 52/97). Um dieser zu entgehen, verrichtet er einen Teil seiner Arbeit in privaten Räumen. Schon hierüber gab es dann vergleichsweise beigelegten Streit. Der Arzt kündigte aber dann nach weiteren Streitereien die Nebenabrede und das Krankenhaus den Kooperationsvertrag. Folgerichtig kamen Präparate und Materialien nicht mehr in der pathologischen Abteilung des Krankenhauses an, Proben wurden vom Kläger anderweitig verbracht. Aus diesen Vorgängen resultierten dann fristlose Kündigungen, die vom Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg bestätigt wurden (Urteil vom 17. Oktober 2012, Az.: 20 Sa 94/11).
Das Arbeitsgericht hat noch die Verlegung eines Teils der vertragsärztlichen Tätigkeit aus den Räumen der Arbeitgeberin heraus in die Privaträume aus den Gründen der bundessozialgerichtlichen Rechtsprechung, die vertragsärztliche Tätigkeit streng getrennt zu führen, als gerechtfertigt erachtet und das Fehlen einer Abmahnung gerügt und ein Wettbewerbsverbot nicht gesehen. In zweiter Instanz wendete sich das Blatt. Dem Arzt wurde ein massiver Wettbewerbsverstoß ohne vertragliche Absicherung attestiert. Darin sei vorrangig eine Zusammenarbeit zum beiderseitigen Wohl über die dienstvertragliche Beziehung hinaus begründet worden. Das Krankenhaus wollte sich durchaus aus dem Renommee des Klägers bedienen und hieraus Nutzen ziehen.
Wer sich daher eng bindet, muss intensiv den schlimmsten Fall erörtern und genau wissen, wie er sich schadenfrei aus der Umarmung des Arbeitgebers lösen kann. In der Konsequenz ist festzuhalten, dass zwar durchaus ärztliche Tätigkeit denkbar ist für Leistungen, die nicht im Angebot des Arbeitgebers enthalten sind und daher keinen „Wettbewerb“ bedeuten können, dieser Gedanke jedoch bereits dann schädlich sein kann, wenn sie Arbeitsinhalte des Arbeitgebers berühren können. Die in hochkarätigen Arbeitsverträgen enthaltenen beamtenähnlichen Regelungen schließen solche Tätigkeiten jedenfalls aus. Es bleibt nur die Kooperation mit dem Arbeitgeber, die sorgfältig geplant, in ihren Auswirkungen zu Ende gedacht und einem intensiven Stresstest unterworfen werden muss.