Zur Sozialversicherungspflicht von Organwaltern einer Societas EUROPAEA mit Sitz in Deutschland
In einer Besprechung des GKV Spitzenverbandes, der Deutschen Rentenversicherung Bund und der Bundesagentur für Arbeit über Fragen des Beitragseinzugs vom 13./14.10.2009 beschäftigten sich die Teilnehmer mit der versicherungsrechtlichen Beurteilung in Deutschland beschäftigter Mitglieder von Organen einer europäischen Gesellschaft (SE). Die Besprechungsteilnehmer vertraten zu dieser Frage die Auffassung, dass beschäftigte Organmitglieder einer monistisch strukturierten Societas EUROPAEA, die dem deutschen Sozialversicherungsrecht unterliegen, wegen der strukturellen Besonderheiten nicht den Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft nach deutschem Recht vergleichbar sind und daher in einer ausgeübten Beschäftigung nicht nach § 1 Satz 4 SGB VI von der Rentenversicherungspflicht ausgenommen und auch nicht nach § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III in der Arbeitslosenversicherung versicherungsfrei sind. Der Spitzenverband unterscheidet daher zu Recht nach den verschiedenen Organisationsformen, welche nach den Gemeinschaftsregelungen dies sind zwei Rechtsakten der EU, nämlich der „SE-VO“ (Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) und der SE-RL (RICHTLINIE 2001/86/EG DES RATES vom 8. Oktober 2001 zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Gesellschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer) möglich sind.
Die SE VO regelt unter anderem (Auszug):
AUFBAU DER SE / Artikel 38
Die SE verfügt nach Maßgabe dieser Verordnung über
a) eine Hauptversammlung der Aktionäre und
b) entweder ein Aufsichtsorgan und ein Leitungsorgan (dualistisches System) oder ein Verwaltungsorgan (monistisches System), entsprechend der in der Satzung gewählten Form.
Abschnitt 1 / Dualistisches System / Artikel 39
(1) Das Leitungsorgan führt die Geschäfte der SE in eigener Verantwortung. Ein Mitgliedstaat kann vorsehen, dass ein oder mehrere Geschäftsführer die laufenden Geschäfte in eigener Verantwortung unter denselben Voraussetzungen, wie sie für Aktiengesellschaften mit Sitz im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaates gelten, führt bzw. führen.
(2) Das Mitglied/die Mitglieder des Leitungsorgans wird/werden vom Aufsichtsorgan bestellt und abberufen.
Die Mitgliedstaaten können jedoch vorschreiben oder vorsehen, dass in der Satzung festgelegt werden kann, dass das Mitglied/die Mitglieder des Leitungsorgans von der Hauptversammlung unter den Bedingungen, die für Aktiengesellschaften mit Sitz in ihrem Hoheitsgebiet gelten, bestellt und abberufen wird/werden.
(3) Niemand darf zugleich Mitglied des Leitungsorgans und Mitglied des Aufsichtsorgans der SE sein. Das Aufsichtsorgan kann jedoch eines seiner Mitglieder zur Wahrnehmung der Aufgaben eines Mitglieds des Leitungsorgans abstellen, wenn der betreffende Posten nicht besetzt ist. Während dieser Zeit ruht das Amt der betreffenden Person als Mitglied des Aufsichtsorgans. Die Mitgliedstaaten können eine zeitliche Begrenzung hierfür vorsehen.
Abschnitt 2 / Monistisches System / Artikel 43
(1) Das Verwaltungsorgan führt die Geschäfte der SE. Ein Mitgliedstaat kann vorsehen, dass ein oder mehrere Geschäftsführer die laufenden Geschäfte in eigener Verantwortung unter denselben Voraussetzungen, wie sie für Aktiengesellschaften mit Sitz im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaates gelten, führt bzw. führen.
In der monistischen Struktur werden wenig Parallelen gesehen mit der Deutschen Aktiengesellschaft, die nach den gesetzlichen Regelungen Befreiungsmöglichkeiten vorsieht, die dualistische Organisationsform einer SE wird daher weitgehend den Befreiungsregelungen des Deutschen Sozialversicherungsrechts (vergl. § 1 Satz 4 SGB VI und § 27 Abs. Nr. 5 SGB III) unterstellt. Diese Differenzierung ist grundsätzlich in allen Zweigen der Sozialversicherung (im deutschen Inland), in denen Sozialversicherungspflichtigkeit bestehen könnte, zu beachten. Sofern daher, und diese Tendenz ist zu sehen, die Deutsche Rentenversicherung Bund sich auf die Beitragsbescheidung von Organwalten einer Societas EUROPEA konzentriert und entsprechende Beitragsbescheide erlässt, ist es geboten, die dieser Beitragsbescheidung zugrunde liegenden Dienstverhältnisse sorgfältig zu analysieren und zu befinden, in welche Kategorie der Organwalterschaft sie einzuordnen sind und ob die Beitragspflichtigkeit gerechtfertigt ist. Da es sich um wiederkehrende Beiträge über längere Zeiträume handelt, liegt diesen Beitragsbescheiden regelmäßig ein nicht geringes Volumen zugrunde, so dass auch aus wirtschaftlichen Gründen die Überprüfung geboten ist. Im Einzelfall ist zu prüfen, ob die jeweils ausgeübte Beschäftigung in einer monistisch strukturierten Gesellschaft ausgeübt wird und daher schon gar nicht von den Befreiungsregeln erfasst wird. Sodann ist zu analysieren, ob eine Beschäftigung eine solche i.S. de § 7 Abs. 1 SGB IV ist und diese Tätigkeit nach Weisungen ausgeführt wird und die Führungskraft in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers eingegliedert ist. Die konkrete Durchführung der Tätigkeit wird im Einzelfall dann die Sozialversicherungspflichtigkeit und ggfls. die Beitragspflicht zumindest in den Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung bestimmen.